Subject: der "Methusalem der Mathematik" Date: Thu, 18 Apr 2002 10:21:59 +0100 From: Andrew_Baker To: Don Davis An Austrian colleague brought this newspaper article on Leopold Vietoris to my attention. He translates a phrase in it as `loosely speaking, a topologist is somebody who can unravel a knot in a rope'! >Der älteste Österreicher starb im 111. Lebensjahr > > Leopold Vietoris, gebürtiger Radkersburger, > genannt der "Methusalem der Mathematik", überlebte seine Frau nur >kurz. > > >"Methusalem der Mathematik" wurde er schon lange genannt, aber als er >gestern starb, war er der älteste Österreicher überhaupt: Leopold >Vietoris, >ein gebürtiger Radkersburger, der seit der Zwischenkriegszeit in >Innsbruck >lebte, verstarb im 111. Lebensjahr wenige Wochen nach dem Tod seiner >(zweiten) Frau Maria, mit der er 66 Jahre verheiratet gewesen war und >die selbst ein Alter von 101 Jahren erreicht hatte. >Vietoris war eine herausragende Persönlichkeit. Am 4. Juni 1891 wurde >er in Radkersburg geboren und entdeckte schon als Zwölfjähriger seine >Liebe zur Mathematik; statt Lateintexten las er allerdings lieber >Karl >May. Vietoris wurde im Ersten Weltkrieg eingezogen, verwundet und >geriet >in italienische Kriegsgefangenschaft. Sein Studium absolvierte er >danach >in Wien. Seine erste Anstellung führte ihn in die Steiermark zurück: >An >der Technischen Universität Graz war in den 20er-Jahren Assistent. > >Vietoris stürzte sich in ein noch junges, damals beinahe exotisches >Teilgebiet der Mathematik: in die Topologie, der Lehre von der >Struktur >und den Zusammenhängen von Räumen. Salopp gesagt, ist ein Topologe >jemand, >der mathematisch einen Knoten in einer Schnur entwirren kann. Das >Fach >wurde immer bedeutender, und heute müssen sich beispielsweise die >Physiker >auf der Suche nach der "Weltformel" mit Fragen der Topologie >befassen. > >1927 kam Vietoris nach Innsbruck, und Tirol sollte seine Wahlheimat >werden. >Seine Forschungen und Erkenntnisse haben Eingang in die Lehre >gefunden, >man spricht von "Vietoris-Zyklen" oder auch "Mayer-Vietoris- >Sequenzen". >Diesen letzten Beitrag entwickelte er übrigens zusammen mit dem >späteren >Assistenten von Albert Einstein, Walther Mayer. > >Leopold Vietoris war aber nicht nur in der Welt der Mathematik zu >Hause. >Ihn faszinierte die Gebirgswelt (eine seiner 80 Publikationen hieß >"Die >Geometrie des Bergsteigens") und er war leidenschaftlicher Schiläufer >bis ins 93. Lebensjahr - auch hier betätigte er sich wissenschaftlich >mit einem Beitrag zur "Elastizitätstheorie auf dem Schi". Seine >letzte >Publikation veröffentlichte er mit 103 Jahren. Der Mathematiker >befasste >sich erfolgreich auch mit anderen Feldern der Mathematik, wie der >Wahrscheinlichkeitstheorie und der reellen Analysis. Nach seiner >Emeritierung vor mehr als 40 Jahren arbeitete er an der Entzerrung >von Luftbildern. > >Vor zwei Jahren noch trat er - zwar leicht gebeugt und auf Krücken - >bei einem großen Festakt anlässlich seines 80-jährigen >Doktoratsjubiläums >- auf. Er habe immer "ordentlich und gesund gelebt", viele seiner >Vorfahren wären älter als 80 geworden, sagte er immer wieder. >Er empfinde sein Alter als eine "Gnade". Vietoris hatte sechs >Töchter, 17 Enkel und 30 Urenkel. > >Norbert Swoboda